Doch bei meiner Reise nach Mailand an einem Samstagmorgen um halb sieben war der Zürcher Bahnhof wie leer gefegt. Ich stieg in Hektik aus dem Zug machte mich gefasst mit dem Menschenstrom in die Halle einzuziehen, doch da war nichts. Kein Menschenstrom, kein Gerempel und kein Gedrucke, kein ausgeschütteter Starbucks-Kaffee auf meiner Jacke oder Schuhen - einfach nichts - nur eine riesige leere Halle. Selbst die Durchsagen der nächsten Verbindungen waren hörbar. - Milano Centrale Gleis 8.
Erstaunt über die Leere verlangsamten sich meine Schritte, mein Blick welcher sich normalerweise am Boden zwischen den Schuhen durch bahnte, wurde plötzlich in die Höhe gezogen. Der Engel von Niki de Saint Phalle stach mir ins Auge: Diese Rundungen, die merkwürdige, an einen Schlumpf erinnernde Hautfarbe, diese knalligen Farben, die goldenen durchlöcherten Flügel - und dieser Staub. Schon eigenartig, wie oft ich schon unter diesem Engel vorbei gehetzt bin, aber trotzdem nie wahr genommen habe, dass er dick und fett über mir hängt und mich mit seiner fliegenden Haltung doch auf eine grazile und spezielle Art und Weise durch die Halle begleitet.
Den Blick noch immer nach oben zum Engel gerichtet schritt ich voran, die Bahnhofshalle lag mir zu Füssen: kein Mensch, keine Verkaufsstände, keine Absperrungen, einfach ein leerer Raum mitten in der Stadt. Mein Blick schwand auf die grosse Uhr, noch fünf Minuten. Höchste Zeit! - Milano ich komme!
Der Engel von Niki de Saint Phalle
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